Kühlende Heilmittel werden seit Tausenden von Jahren verwendet. Minzöl, das den kühlenden Wirkstoff Menthol enthält, war beispielsweise eine traditionelle chinesische Salbe. Produkte wie BenGay sind moderne Versionen, die Reizungen und Entzündungen kühlen sollen. Solche Cremes sind jedoch eher bei akuten Schmerzen wirksam, d. h. bei Schmerzen, die direkt aus einer Gewebeschädigung resultieren, z. B. bei einer Verbrennung oder einer Muskelzerrung. Die Behandlung neuropathischer oder nervenbedingter Schmerzen ist wesentlich schwieriger, da die verletzten Nerven selbst Schmerzsignale zu erzeugen scheinen, ohne dass ein äußerer Einfluss vorliegt. Die Forschung zu dieser Art von chronischen, nervenbedingten Schmerzen hat sich darauf konzentriert, die Aktivierung der Schmerzneuronen zu unterbrechen, bevor die Signale das Gehirn erreichen.
Ein Großteil des Rätsels, wie dieser Schmerz entsteht, liegt in dem komplizierten Geflecht der sensorischen Neuronen unter der Haut. Verschiedene Arten von Neuronen nehmen unterschiedliche Temperatur-, Druck- und Schmerzwerte wahr und leiten diese Informationen an das Rückenmark und dann an das Gehirn weiter. Innerhalb einer bestimmten Gruppe temperaturempfindlicher Neuronen befindet sich ein Proteinrezeptor namens TRPM8, der auf kühle, aber nicht eiskalte Temperaturen reagiert. So könnte beispielsweise eine leichte Brise dieses Protein aktivieren und ein Aktionspotenzial entlang des sensorischen Nervs in das Rückenmark senden, das dann an das Gehirn weitergeleitet wird und ein angenehmes Kältegefühl erzeugt. Mit diesem Wissen suchte das Team in Edinburgh nach Verbindungen, die TRPM8 spezifisch aktivieren, ohne dabei andere, extremere Sinnesrezeptoren auszulösen.
Das Team experimentierte mit niedrigen Dosen von Icilin bzw. Menthol an Ratten mit klinisch simulierten chronischen Schmerzen (ein verletzter Ischiasnerv). In getrennten Versuchen wurden die Ratten in flachen Becken mit den beiden Lösungen gebadet und die Lösungen direkt in das Rückenmark injiziert. Anschließend testeten die Forscher die Schmerzempfindlichkeit der Ratten, indem sie feststellten, wann die Ratten ihre Pfoten als Reaktion auf Nylonfäden, die gegen das verletzte Bein gedrückt wurden, zurückzogen. Sie stellten fest, dass die Schmerzempfindlichkeit der Ratten nach fünfminütigem Paddeln in Icilin-Lösung bis zu fünf Stunden lang deutlich abnahm – eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu Versuchen mit Menthol.
Die Forscher ließen es aber nicht dabei bewenden. Sie untersuchten die elektrischen Daten der Nervenzündungen dieser Ratten und entdeckten, dass die TRPM8-Neuronen bei ihrer Aktivierung einen Neurotransmitter, Glutamat, in das Rückenmark abgaben. Und sie fanden heraus, dass das von den kühlenden Neuronen freigesetzte Glutamat die Signale der Schmerzneuronen umkehrte und hemmte. „Das Clevere an diesem System, das niemand verstanden hat, ist, dass die TRPM8-Sinnesnerven als eine Art Kontrolltor fungieren, damit die schmerzhaften Eingänge nicht das Gehirn erreichen“, sagt Fleetwood-Walker.
Beobachter halten die Ergebnisse für vielversprechend, wenn auch vorläufig. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein einziger Weg oder eine einzige Behandlung bei allen Arten von Schmerzen funktioniert, also gehen wir den Schmerz Stück für Stück an“, sagt John T. Farrar, ein Forscher für chronische Schmerzen am University of Pennsylvania Medical Center in Philadelphia. „Das in dieser Studie verwendete Tiermodell stellt nur einen möglichen Mechanismus dar, durch den Schmerzen beim Menschen auftreten können. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, ihn zu erforschen – und vielleicht haben wir mit diesem Modell Glück.“
Das Team in Edinburgh plant, im nächsten Jahr mit Tests am Menschen zu beginnen und mit topischen Lösungen von Icilin bei Patienten mit Nervenschmerzen zu experimentieren, bei denen eine Behandlung mit Morphin erfolglos war. Die Gruppe sucht auch nach noch wirksameren Verbindungen als Icilin als mögliche Wirkstoffe für eine topische Creme, die eines Tages Menschen mit chronischen Schmerzen kühlende Linderung verschaffen könnte.
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