Die Krupp-Dynastie – verherrlicht und verteufelt

10.04.2012

Vor zweihundert Jahren eröffnete Friedrich Krupp im Ruhrgebiet eine Stahlgießerei und legte damit den Grundstein für ein legendäres Industrieimperium. Das Ruhr Museum in Essen zeichnet seine komplexe Geschichte nach.

Nur wenige wissen, dass die berühmte Krupp-Dynastie eigentlich in den Niederlanden begann. Arndt Kruipe ist der erste Name in der Familienchronik des späteren Essener Riesenreichs. Kruipe war ein Kaufmann, der eine Vielzahl von Waren verkaufte – von Eisenwaren und Wein bis hin zu Lebensmitteln, Vieh und Grundstücken. Er kam um 1587 in die Ruhrstadt und häufte ein beträchtliches Vermögen an.

Der sagenhafte Aufstieg der Familie begann aber erst viel später, als Friedrich Krupp Anfang des 19. Jahrhunderts in Essen ein Gussstahlwerk gründete. Jahrhunderts in Essen eine Stahlgießerei gründete. Der Erfolg ließ zunächst auf sich warten, und Friedrich selbst starb 1826 hoch verschuldet.

Der Durchbruch gelang seinem Sohn, dem in Essen geborenen Alfred Krupp (1812-1887), der ein geniales Verfahren zum Gießen nahtloser, schweißfreier Eisenbahnräder entwickelte. Die Stahlräder fanden in ganz Europa und Nordamerika reißenden Absatz und finden sich heute in den drei Ringen des Firmenlogos wieder.

Um die Krupp-Geschichte zu erforschen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, haben der Kurator des Essener Ruhrmuseums Theodor Grütter und seine Mitarbeiter fast 7.000 Artefakte untersucht, darunter Fotos, Filme, Dokumente und Familienerbstücke. Rund 1.500 davon sind nun bis zum 4. November 2012 im Museum zu sehen.

Krupp war einer der ersten, der Werbung einsetzte,

Klischee und Wirklichkeit

Das Familienunternehmen Krupp, schon früh ein Global Player im aufkeimenden Industriezeitalter, profitierte damals auch von der Waffenproduktion. Bereits im Deutsch-Französischen Krieg 1871 war das Unternehmen ein wichtiger Lieferant von Geschützen, Mörsergranaten und Kanonen. Ein Großteil der militärischen Überlegenheit Deutschlands war den Stahlkanonen von Krupp zu verdanken, was Alfred den zweifelhaften Spitznamen „Krupp, der Kanonenkönig“ einbrachte.

Im Zweiten Weltkrieg war die Krupp-Industrie auch ein wichtiger Waffenlieferant der Nationalsozialisten, was dem Namen der Familie bis heute schadet. Die Kriege gaben dem Krupp-Stahl einen ideologischen Beigeschmack, der ihn zu mehr als nur einem industriellen Schlüsselwerkstoff machte – er wurde mit Tod und Zerstörung assoziiert.

Stahlräder und Waffen brachten der Familie Krupp ein enormes Wachstum, das das Unternehmen von vier Mitarbeitern bei der Gründung auf 75.000 beim Tod von Alfred Krupp 1887 anwachsen ließ. Mehr als 20.000 davon waren in Essen beschäftigt.

Alfred Krupp ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Als kluger Verkäufer und gewiefter Medienstratege führte er ein erfolgreiches Marketingkonzept ein, lange bevor es den Begriff der Werbung überhaupt gab. Alfred nutzte Weltausstellungen, um ein breiteres Publikum zu erreichen, und investierte in die frühe Fotografie. Später feierten firmeneigene Laboratorien den technischen Fortschritt.

Im Jahr 1906 richtete Krupp das erste bekannte Firmenarchiv der Welt ein, und zur Feier des 100-jährigen Firmenjubiläums gab Alfred umgerechnet 60 Millionen Euro (78 Millionen Dollar) aus.

Krupp führte viele Neuerungen bei der Stahlherstellung ein

Sozial eingestellter Kapitalist

Die Krupp-Führung versuchte auch, soziale Verantwortung zu zeigen. Es kümmerte sich um fest angestellte Mitarbeiter und bildete sie aus. Für gute Arbeiter wurden Krankenhäuser, Schulen und Bibliotheken eingerichtet.

Das war nicht nur Wohltätigkeit, sondern bewies auch weitsichtigen Geschäftssinn. Nur die besten Arbeiter erhielten die begehrten Vergünstigungen. „Die Stammbelegschaft betrug nie mehr als 10 Prozent der Belegschaft“, sagt Museumsdirektorin Grütter.

Diese privilegierten Mitarbeiter behielten ihren Arbeitsplatz auch in schlechten Zeiten, und ihre spezielle Ausbildung sorgte für hohe Produktivität und Kompetenz. Dieses Modell diente auch als ständiger Ansporn für die übrigen Arbeiter.

Für Grütter ist das soziale Engagement der Krupps ein wichtiges Element der Familiengeschichte und zeigt, „dass an den Klischees ein Körnchen Wahrheit dran ist, der Rest aber erfunden ist.“

Den Krupps kaltes Kalkül vorzuwerfen, sei zu einfach, sagt Grütter. Margarethe Krupp (1854-1931) nahm sich jeden Tag zwei Stunden Zeit, um Bedürftige zu empfangen und ihnen mit Kleidung, Geschirr und anderen Alltagsgegenständen auszuhelfen. Eigennutz und humanitäres Handeln standen nebeneinander.

Weder Chorknabe noch Kriegstreiber

Im Ersten Weltkrieg konzentrierte sich das Familienunternehmen Krupp auf die Produktion von Rüstungsgütern; eine Politik, die das Unternehmen nach dem verlorenen Krieg fast in den Bankrott trieb. In der Zeit des Nationalsozialismus war Krupp viel vorsichtiger, als die meisten Menschen denken, stellt Grütter fest.

Obwohl Krupp mit den Nazis kooperierte, konzentrierte er die Hälfte seiner Produktionsanlagen auf nichtmilitärische Güter. Die Anklage und Verurteilung nach dem Zweiten Weltkrieg wegen der Zusammenarbeit mit Hitler und dem Einsatz von Zwangsarbeitern war sicherlich gerechtfertigt. Noch rätselhafter ist jedoch, dass andere Wirtschaftsmagnaten, die dasselbe taten, nicht angeklagt wurden. Auch hierin spiegelt sich der „Mythos Krupp“ wider, der stets zwischen Verherrlichung und Verunglimpfung zu schwanken schien.

Die Krupps waren komplexer als das Klischee, sagt Museumskurator Theodor Grütter

Die interessanteste Frage für Museumskurator Grütter ist, wie die Krupps es geschafft haben, so viele Jahre lang zu überleben. Die Antwort liegt seiner Meinung nach zum einen in der kontinuierlichen Entwicklung innovativer industrieller Verfahren, der schnellen Umsetzung von Ideen und der intensiven Nutzung der eigenen Forschungseinrichtungen.

Aber auch auf einer anderen Ebene sieht Grütter einen entscheidenden Vorteil für Krupp in einem uralten unternehmerischen Ideal: die langfristige Existenz des Unternehmens und der Familie über die kurzfristige Gewinnmaximierung zu stellen. Im großen Stammbaum der Krupps gab es keine Verschwender, die das Vermögen verprassten.

Autor: Günther Birkenstock / gb
Herausgeber: Ben Knight

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