Sozialisation ist der Prozess des Erwerbs sozialer Fähigkeiten, kultureller Normen und gesellschaftlicher Bräuche. Obwohl dieser Prozess das ganze Leben hindurch andauert, spielt die Sozialisierung eine wichtige Rolle für die psychologische Entwicklung in der Kindheit. Kinder, die in ihren ersten Lebensjahren keinerlei soziale Kontakte haben, können in einigen Fällen nicht in der Lage sein, als Erwachsene kulturell akzeptierte soziale Fähigkeiten zu entwickeln.
Arten der Sozialisation
Psychologen und Soziologen haben zahlreiche Arten der Sozialisation aufgezählt, und viele Theorien der Entwicklungspsychologie sind Theorien der Sozialisation. Lawrence Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung beispielsweise betont die fortschreitende Entwicklung des moralischen Denkens im Laufe des Lebens eines Menschen, die in erster Linie auf die Sozialisation zurückzuführen ist. Zu den allgemein anerkannten Arten der Sozialisation gehören:
- Die geschlechtsspezifische Sozialisation ist die Anerkennung von Geschlechternormen, die sowohl durch aktives Lehren („Jungen tragen keine rosa Kleidung!“) als auch durch subtilere, passive Beobachtung erfolgt, z. B. wenn man feststellt, dass mehr Männer als Frauen in den Ingenieurbereich einsteigen. Die geschlechtsspezifische Sozialisation wird von vielen Feministinnen und Soziologen als unnötiger Prozess kritisiert, der dazu dient, die Lebensmöglichkeiten von Jungen und Mädchen einzuschränken.
- Die primäre Sozialisation findet früh im Leben eines Kindes statt und ist vor allem auf den Einfluss der Familie und enger Freunde zurückzuführen. Durch die primäre Sozialisation lernt ein Kind grundlegende gesellschaftliche Normen und Bräuche. Das Toilettentraining ist ein Beispiel für die primäre Sozialisation.
- Unter antizipatorischer Sozialisation versteht man den Prozess des Einübens eines Ereignisses, bevor es eintritt. Das Rollenspiel einer Interaktion mit einem Freund oder das Üben eines Vorstellungsgesprächs sind Beispiele für antizipatorische Sozialisation.
Der Sozialisationsprozess
Sozialisation ist ein hochkomplexer Prozess, der kontinuierlich abläuft. Er läuft oft unbewusst ab. Der Umgang mit Freunden und der Familie, das Befolgen von Regeln, die Belohnung für die Erledigung von Aufgaben und das Erlernen von Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit sind alles Beispiele für Sozialisation, die es einer Person ermöglichen, in ihrer Kultur zu funktionieren.
Sozialisation bei Tieren
Einige Tiere haben kritische Sozialisationsphasen, in denen sie an neue Reize gewöhnt werden müssen, um spätere Angst zu vermeiden. Hunde zum Beispiel, die während ihrer Welpenzeit nicht ausreichend mit Hunden oder anderen Tieren sozialisiert werden, lernen möglicherweise nie, sich angemessen zu verhalten, und reagieren jedes Mal mit Angst und Aggression, wenn sie ein neues Tier oder einen neuen Menschen sehen. Andere Tiere, wie z. B. Enten, prägen sich sofort auf das erste, was sie nach dem Schlüpfen sehen. Dies wirkt sich auf die spätere Sozialisierung aus. Konrad Lorenz wies nach, dass Gänse, die unmittelbar nach dem Schlüpfen einen Menschen sehen, für den Rest ihres Lebens eher versuchen, sich mit Menschen als mit anderen Gänsen anzufreunden.
Die Bedeutung der Sozialisierung
Wild lebende Kinder oder Kinder, die von klein auf keine sozialen Kontakte hatten und auch sonst vernachlässigt wurden, zeigen, wie wichtig die Sozialisierung für die Entwicklung von Kindern ist. Zwei Mädchen, Isabelle und Anna, die Mitte des 19. Jahrhunderts getrennt voneinander entdeckt wurden, wurden bis zu ihrem sechsten Lebensjahr in kleinen Zimmern gehalten, weil sie unehelich geboren wurden. Keines der beiden Mädchen konnte sprechen, aber Anna konnte sich mit Gesten verständigen. Beide verhielten sich eher wie Säuglinge als wie Kleinkinder, und ihnen fehlten die meisten grundlegenden menschlichen Eigenschaften, wie Sprache und die Fähigkeit, sich selbst zu ernähren und anzuziehen.
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Last Updated:08-26-2015