Neues Material bricht Weltrekord bei der Umwandlung von Wärme in Strom

14. November 2019

Prof. Ernst Bauer im Labor. Credit: TU Wien

Ein neuartiges Material erzeugt aus Temperaturunterschieden sehr effizient elektrischen Strom. Damit können sich Sensoren und kleine Prozessoren drahtlos mit Energie versorgen.

Thermoelektrische Materialien können Wärme in elektrische Energie umwandeln. Grund dafür ist der sogenannte Seebeck-Effekt: Besteht zwischen den beiden Enden eines solchen Materials ein Temperaturunterschied, kann eine elektrische Spannung erzeugt werden und Strom fließen. Die Menge an elektrischer Energie, die bei einer bestimmten Temperaturdifferenz erzeugt werden kann, wird durch den so genannten ZT-Wert gemessen: Je höher der ZT-Wert eines Materials ist, desto besser sind seine thermoelektrischen Eigenschaften.

Die bisher besten Thermoelektrika wurden bei ZT-Werten von etwa 2,5 bis 2,8 gemessen. Wissenschaftlern der TU Wien ist es nun gelungen, ein völlig neues Material mit einem ZT-Wert von 5 bis 6 zu entwickeln. Es handelt sich dabei um eine dünne Schicht aus Eisen, Vanadium, Wolfram und Aluminium, die auf einen Siliziumkristall aufgebracht wird.

Das neue Material ist so effektiv, dass es zur Energieversorgung von Sensoren oder auch kleinen Computerprozessoren eingesetzt werden könnte. Anstatt kleine elektrische Geräte an Kabel anzuschließen, könnten sie ihren eigenen Strom aus Temperaturunterschieden erzeugen. Das neue Material wurde jetzt in der Fachzeitschrift Nature vorgestellt.

Elektrizität und Temperatur

„Ein gutes thermoelektrisches Material muss einen starken Seebeck-Effekt aufweisen, und es muss zwei wichtige Anforderungen erfüllen, die nur schwer miteinander zu vereinbaren sind“, sagt Prof. Ernst Bauer vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. „Einerseits soll es Strom möglichst gut leiten, andererseits soll es Wärme möglichst schlecht transportieren. Das ist eine Herausforderung, denn elektrische Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit hängen meist eng zusammen.“

Am Christian Doppler Labor für Thermoelektrizität, das Ernst Bauer 2013 an der TU Wien gegründet hat, wurden in den letzten Jahren verschiedene thermoelektrische Materialien für unterschiedliche Anwendungen untersucht. Diese Forschung hat nun zur Entdeckung eines besonders bemerkenswerten Materials geführt – einer Kombination aus Eisen, Vanadium, Wolfram und Aluminium.

„Die Atome in diesem Material sind meist in einem streng regelmäßigen Muster in einem sogenannten kubisch-flächenzentrierten Gitter angeordnet“, sagt Ernst Bauer. „Der Abstand zwischen zwei Eisenatomen ist immer gleich, und das gilt auch für die anderen Atomsorten. Der ganze Kristall ist also völlig regelmäßig.“

Wird jedoch eine dünne Schicht des Materials auf Silizium aufgetragen, passiert etwas Erstaunliches: Die Struktur ändert sich radikal. Obwohl die Atome immer noch ein kubisches Muster bilden, sind sie nun in einer raumzentrierten Struktur angeordnet, und die Verteilung der verschiedenen Atomsorten wird völlig zufällig. „Zwei Eisenatome können nebeneinander sitzen, die Plätze daneben können von Vanadium oder Aluminium besetzt sein, und es gibt keine Regel mehr, die vorschreibt, wo das nächste Eisenatom im Kristall zu finden ist“, erklärt Bauer.

Diese Mischung aus Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit der atomaren Anordnung verändert auch die elektronische Struktur, die bestimmt, wie sich Elektronen im Festkörper bewegen. „Die elektrische Ladung bewegt sich auf eine besondere Weise durch das Material, so dass sie vor Streuprozessen geschützt ist. Die Ladungsanteile, die sich durch das Material bewegen, werden als Weyl-Fermionen bezeichnet“, sagt Ernst Bauer. Auf diese Weise wird ein sehr niedriger elektrischer Widerstand erreicht.

Gitterschwingungen hingegen, die Wärme von Orten mit hoher Temperatur zu Orten mit niedriger Temperatur transportieren, werden durch die Unregelmäßigkeiten in der Kristallstruktur gehemmt. Daher nimmt die Wärmeleitfähigkeit ab. Das ist wichtig, wenn aus einem Temperaturunterschied dauerhaft elektrische Energie gewonnen werden soll – denn wenn sich Temperaturunterschiede sehr schnell ausgleichen könnten und das gesamte Material bald überall die gleiche Temperatur hätte, käme der thermoelektrische Effekt zum Erliegen.

Strom für das Internet der Dinge

„Natürlich kann eine solch dünne Schicht keine besonders große Energiemenge erzeugen, aber sie hat den Vorteil, dass sie extrem kompakt und anpassungsfähig ist“, sagt Ernst Bauer. „Wir wollen sie nutzen, um Energie für Sensoren und kleine elektronische Anwendungen bereitzustellen.“ Die Nachfrage nach solchen kleinen Generatoren wächst schnell: Im „Internet der Dinge“ werden immer mehr Geräte online miteinander vernetzt, so dass sie ihr Verhalten automatisch aufeinander abstimmen. Das ist besonders vielversprechend für zukünftige Produktionsanlagen, in denen eine Maschine dynamisch auf eine andere reagieren muss.

„Wenn man in einer Fabrik eine große Anzahl von Sensoren braucht, kann man nicht alle miteinander verkabeln. Es ist viel intelligenter, wenn die Sensoren ihre eigene Energie mit einem kleinen thermoelektrischen Gerät erzeugen können“, sagt Bauer.

Weitere Informationen: B. Hinterleitner et al. Thermoelectric performance of a metastable thin-film Heusler alloy, Nature (2019). DOI: 10.1038/s41586-019-1751-9

Journalinformationen: Nature

Zur Verfügung gestellt von der Technischen Universität Wien

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